Das Metaverse zählt zu den meistdiskutierten digitalen Konzepten der letzten Jahre – irgendwo zwischen visionärer Plattform und überambitioniertem Hype. Als immersive, dreidimensionale Umgebung, in der Nutzerinnen und Nutzer über Avatare interagieren, verspricht es neue Formen der Zusammenarbeit, Kommunikation – und auch neue Ansätze für die Finanzbranche.
Einige Banken haben erste Erfahrungen gesammelt. Die Schweizer Digitalbank Sygnum und die VP Bank treten mit eigenen Umsetzungen im Metaverse auf. So können Kundinnen und Kunden etwa Anteile an Kunstwerken in Form sogenannter Art Security Tokens (AST) erwerben. Auch Julius Bär nutzt virtuelle Welten – mit der „Bär Challenge“, einer gamifizierten Employer-Branding-Initiative, zur Ansprache junger Talente.
Die Vision: Der virtuelle Bankschalter
Ein häufig genanntes Anwendungsszenario ist der virtuelle Bankschalter – eine vollständig digitale Filiale im Metaverse. Kundinnen und Kunden könnten dort alltägliche Bankgeschäfte abwickeln, von der Kontoeröffnung über Beratungsgespräche bis hin zur Kreditanfrage. Erste Pilotprojekte existieren bspw. auch bereits in der öffentlichen Verwaltung: Der Kanton Zug etwa bietet ausgewählte öffentliche Dienstleistungen ebenfalls im Metaverse an.
Ein solcher digitaler Bankschalter könnte klassische Services mit neuen Funktionalitäten kombinieren. Dazu zählen KI-gestützte Beratung für einfache Anliegen, interaktive Tools zur Finanzplanung im Selfservice, immersive 3D-Visualisierungen komplexer Anlagethemen sowie sichere Transaktionen auf Basis von Blockchain-Technologie.
Nutzen für Banken und Kundschaft
Für Banken bietet das Metaverse neben dem Innovationspotenzial auch operative Vorteile: Die Reduktion physischer Filialen und personeller Ressourcen kann zu Kosteneinsparungen führen, während gleichzeitig neue digitale Prozesse etabliert werden. Zudem kann ein Auftritt im Metaverse zur Modernisierung des Markenimages beitragen.
Kundinnen und Kunden wiederum profitieren von ortsunabhängigen Services, einer interaktiven Beratung sowie erhöhter Transparenz durch digitale Lösungen. Gerade komplexe Themen wie Vorsorge oder Vermögensstrukturierung lassen sich visuell ansprechend und verständlich vermitteln – zumindest dann, wenn der Avatar nicht gerade Ladeprobleme hat.
Doch wie realistisch ist der virtuelle Bankschalter?
Eine Umfrage unter ausgewählten Branchenkontakten zeigt ein differenziertes Bild. Zwar werden 3D-Visualisierungen und Avatare grundsätzlich positiv bewertet, die vollständige Verlagerung von Bankprozessen ins Metaverse stösst jedoch auf Skepsis.
Als Hauptgründe werden genannt:
- fehlendes technisches Know-how zur Umsetzung
- mangelndes Vertrauen in Metaverse-Plattformen
- offene Fragen in Bezug auf Datenschutz und Identitätsprüfung
- zurückhaltende Kundenakzeptanz, insbesondere bei sensiblen Finanzthemen
Technologische Hürden wie Geräteverfügbarkeit oder Investitionskosten spielen hingegen eine untergeordnete Rolle – VR-Brillen sind längst im Konsumentenmarkt angekommen und entsprechende Plattformen existieren.
Fazit: Zukunftsmusik mit Potenzial
Der vollständig virtuelle Bankschalter bleibt – Stand heute – eine ambitionierte Vision. Zwar sind die technologischen Grundlagen vorhanden, doch fehlendes Vertrauen, rechtliche Unsicherheiten und die Zurückhaltung der Kundschaft bremsen eine flächendeckende Umsetzung.
Dennoch zeigt sich: In klar abgegrenzten Anwendungsfällen wie der Visualisierung komplexer Daten, virtuellen Events oder digitaler Finanzbildung bietet das Metaverse heute bereits realisierbaren Mehrwert. Formate wie die Julius Bär Challenge belegen, dass insbesondere jüngere Zielgruppen offen für immersive Erlebnisse sind.
Das Metaverse muss daher nicht als Ersatz klassischer Kanäle betrachtet werden, sondern als Ergänzung – dort, wo es sinnvoll ist und echten Nutzen stiftet. Die Zukunft liegt nicht im „Entweder-Oder“, sondern im Zusammenspiel von physischer Präsenz, digitalen Services und virtuellen Erweiterungen. Wer früh testet, sammelt Erfahrung – und bleibt auch dann relevant, wenn das nächste grosse Buzzword auftaucht.
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