Der Kundenzugang spielt eine tragende Rolle in der digitalen Transformation des Geschäftsmodelles von Finanzinstituten. Nebst den etablierten Services wie E-Banking und Mobile Banking, besteht eine immer grösser werdende Nachfrage an digitalen Eröffnungsprozessen für Neukunden. Insbesondere Neobanken haben diesen Trend erkannt und nutzen die neuen technologischen Möglichkeiten, um mit effizienten und vollautomatischen Services ihre Kunden zu akquirieren. Als Benchmark für eine vollständig digitale Kundeneröffnung von Privatkunden hat sich bei diesen Banken ein Wert von unter 10 Minuten etabliert.
Diese neue Konkurrenz, die stetig wachsenden Kundenansprüche und die COVID-19 Pandemie erhöhen den Druck auf traditionelle Banken, ihre Eröffnungsprozesse zu digitalisieren. Während im Privatkundenbereich viel Aktivität und Fortschritt zu beobachten ist, bietet praktisch keine Schweizer Bank eine digitale Kundeneröffnung für Firmenkunden an. Dies, obschon die gesetzlichen wie auch technischen Grundlagen, beispielsweise beim Thema der elektronischen Signatur, seit mehreren Jahren vorhanden sind.
Die Firmenkunden sind somit bei einer Kundeneröffnung nach wie vor dazu gezwungen, einen Termin zu vereinbaren, eine Filiale aufzusuchen und die Vertragsdokumente abschliessend von Hand zu unterzeichnen. Das überschaubare Angebot an digitalen Eröffnungsmöglichkeiten im Firmenkundenbereich resultiert hauptsächlich aus der höheren Komplexität beim Eröffnungsprozess als bei Privatkunden, dem vermeintlich tiefen ROI und zu hoch gesteckten Zielen bezüglich Service- und Kundenabdeckung.
Im nächsten Abschnitt zeigen wir Ihnen, wie Sie die fünf wichtigsten Komplexitätstreiber abschwächen können, dabei den richtigen Fokus setzen und gleichzeitig Ihre Kosten im Griff behalten.
Spezialfälle zurückstellen
Firmenkunden werden aufgrund von gewissen Ausprägungen (z.B. Rechtsform, Umsatz, Mitarbeiterzahl) in verschiedene, multidimensionale Kundensegmente unterteilt. Jede Ausprägung kann dabei zusätzliche Anforderungen an den Eröffnungsprozess stellen. Dies führt zu unzähligen Spezialfällen und einer höchst komplexen Prozesslogik verbunden mit hohen Implementierungskosten.
Analysieren Sie daher zuerst Ihr Kundenportfolio, um eine Priorisierung der Kundensegmente festzulegen. Es ist wichtig, dass Sie Ihr Angebot in einem ersten Schritt auf die attraktivsten Ausprägungen beschränken. Das heisst auf grosse Segmente, welche einen hohen Ertrag, einen kleinen Aufwand und eine tiefe Komplexität aufweisen. Getrauen Sie sich, Spezialfälle vorerst zurückzustellen. Beispielsweise decken Einzelunternehmen, Aktiengesellschaften und GmbHs im KMU-Bereich meist schon über 80% der potenziellen Neukunden ab.
Nur Hauptvertragspartner in Prozess involvieren
Im Gegensatz zu Privatkunden sind bei Firmenkunden oft mehrere Personen in einen Vertragsabschluss involviert (Kollektivzeichnungsrechte). Zudem gib es meist weitere Personen, für die ein Kontozugriff notwendig ist (z.B. Buchhalter oder HR-Verantwortliche). Dies hat zur Folge, dass im Eröffnungsprozess verschiedene Dokumente von unterschiedlichen Personen rechtsgültig unterschrieben werden müssen. Dadurch können sich längere Wartezeiten und Unterbrechungen im Eröffnungsprozess ergeben. Zudem treten weitere technische Herausforderungen auf, um die zusätzlichen Personen sicher und einfach in den Prozess einzuladen und diesen zu synchronisieren.
Wir empfehlen Ihnen eine Prozessgestaltung, die ausschliesslich auf die Hauptvertragspartner ausgelegt ist. Nehmen Sie weitere Vertragspartner wie Bevollmächtigte oder zusätzliche E-Banking-Nutzer nicht in den initialen Eröffnungsprozess mit auf. Weitere, nicht kritische Personen, die noch zu identifizieren sind, können nachträglich über ein Self-Service Access Management hinzugefügt werden. Falls bei der Eröffnung mehrere Verträge zu unterzeichnen sind, schlagen wir Ihnen vor, dass Sie mit Hilfe eines Metavertrages auf die einzelnen Dokumente verweisen. Dadurch muss der Neukunde nur ein Dokument digital signieren und kann folglich alle ausgewählten Produkte in einem Schritt eröffnen.
Anbindung externer Datenquellen
Korrekte und detailliert geführte Kundendaten sind für die Erfüllung der gesetzlichen Regulatorien eine unumgängliche Pflicht. Die Kundeneröffnung von Firmenkunden bedingt daher eine umfangreiche Erfassung von Firmen- und Personeninformationen. Im digitalen Prozess kann dieser Schritt zwar gänzlich auf den potenziellen Neukunden abgewälzt werden, jedoch leidet die Benutzerfreundlichkeit stark unter der langwierigen Datenerfassung.
Wir empfehlen, dass Sie Ihren digitalen Kundeneröffnungsprozess in einem ersten Schritt nur für Firmen mit einer UID (Unternehmens-Identifikationsnummer) anbieten, damit Sie die Firma maschinell verifizieren können. Erfahrungsgemäss decken Sie damit zwischen 90 % und 95 % Ihrer potenziellen Neukunden ab. Durch die Anbindung von öffentlichen und kommerziellen Datenbanken sind Sie zudem in der Lage zahlreiche Datenfelder automatisiert auszufüllen oder zu validieren.
Firmen ohne UID sollten über Ihren Prozess einen Beratungstermin für weitere Abklärungen vereinbaren können. Einen Spezialfall davon bilden Firmen, welche sich in Gründung befinden. Für diese sollte ein separater Prozess mit einem Kapitaleinzahlungskonto implementiert werden.
Reduktion von Stolpersteinen
In der Kundeneröffnung muss der Firmenkunde aus einer Vielzahl von komplexen Produkten eine passende Auswahl treffen. Ausserdem erzeugen verschiedenste Optionen und Kombinationen ein schier unüberschaubares Geflecht an Möglichkeiten, durch welches sich der Neukunde kämpfen muss. Ohne die Unterstützung durch einen Kundenberater kann dies kundenseitig schnell zu Überforderung und Frustration führen, was sich in einer erhöhten Absprungrate widerspiegelt. Zusätzlich braucht es im Hintergrund intelligente Regelwerke, um den Workflow und die Produktauswahl zu steuern.
Allgemein raten wir dazu, den Neukunden nur mit einem eingeschränkten Set an Basisprodukten zu eröffnen, um die Komplexität bei der Produktauswahl zu reduzieren. Weitere Produkte sollen im Nachgang über die E-Banking Plattform eröffnet werden. Ermöglichen Sie dem Kunden darüber hinaus ein breites Spektrum an Supportmöglichkeiten und platzieren Sie diese prominent in ihrem Prozess. Nutzen Sie neuste Technologien wie z.B. Chatbots in Kombination mit traditionellen Chat- und Telefonlösungen, um dem Kunden bei Fragen und Unklarheiten einen 24/7 Service zu gewährleisten.
Sofortiger Zugang zu ausgewählten Produkten
Im Anschluss an die digitale Kundeneröffnung erwartet der Kunde eine sofortige Nutzung seiner Bankprodukte. Abhängig von den gewählten Produkten sind durch interne und externe Regulationen oft weitere Risikoabklärungen und nachgelagerte Überprüfungen nötig, die den Bankzugang verzögern und das Kundenerlebnis trüben.
Wir empfehlen Ihnen, dass Sie dem Kunden direkt nach der Eröffnung einen Zugang zu gewissen Produkten ermöglichen. Fokussieren Sie sich dabei auf Produkte wie z.B. ein limitierter E-Banking Zugang oder eine digitale Debit- oder Prepaidkarte. Dadurch erhöhen Sie die Kundenzufriedenheit, ohne grössere Risiken einzugehen. Automatisieren Sie die anschliessende Überprüfung der Firma und den beteiligten Personen wo immer möglich durch die Anbindung geeigneter Tools. Somit können Sie ihren Aufwand reduzieren und dem Kunden in nützlicher Frist einen uneingeschränkten Zugang zu seinen Produkten gewähren. Möglicherweise nutzen Sie solche Tools bereits und die Prozesse müssen nur noch automatisiert werden.
Fazit
Mit dem richtigen Kundenfokus und dem Blick auf das Wesentliche reduzieren Sie den Umfang ihres Eröffnungsprozesses auf eine zielgerichtete Kundenakquise. Durch die zusätzliche Verkürzung der Prozesszeit und der Reduktion von Stolpersteinen schaffen Sie ein positives Kundenerlebnis und verringern gleichzeitig die interne Systemkomplexität. Als abschliessenden Schritt sorgen Sie mit einer automatischen Produkteröffnung für die Erfüllung der Kundenerwartung und generieren eine vollständig digitale Firmenkundeneröffnung.
Autor

Jürg Käser, Senior Consultant
Themenverantwortung
